Was ist das, "Aufstellen"?

In einer Gruppe von 10 bis 25 Teilnehmern erhalten alle, die ein Anliegen haben, die erforderliche Zeit und Aufmerksamkeit der Gruppe um mitzuteilen, was ihnen auf dem Herzen liegt. Eine speziell ausgebildete Leiterin/ Leiter stellt weitere Fragen, bis sich abzeichnet, in welcher Form das Anliegen aufgestellt werden könnte. Wenn das klar ist, bittet die Person mit dem Anliegen andere Teilnehmer, sich als Stellvertreter für Personen oder Aspekte ihres Themas zur Verfügung zu stellen, und gibt ihnen einen Platz im Raum. Dann ereignet sich regelmässig, was nicht erklärt, aber sehr wohl erfahren werden kann: Diese Stellvertreter haben körperliche und seelische Empfindungen, es zieht sie dahin oder dorthin, es tauchen Gedanken in ihnen auf, die ihnen sonst eigentlich fremd sind, und sie können starke Emotionen gegenüber anderen Repräsentanten entwickeln. Dieses Phänomen ist die Grundlage des "Familienstellens", und mit diesen Phänomenen arbeitet dann die Leiterin der Aufstellung.

Braucht es eine spezielle Begabung für den Dienst als Stellvertreter?

Die Antwort ist "nein", alle können das, diese Fähigkeit gehört zu unserer Grundausstattung als Mensch. Es ist möglich, dass wir das erste Mal sogar erschrecken darüber, wie stark diese Empfindungen sind, d.h. wie gut dass es funktioniert! Die einzige Schwierigkeit besteht darin, dass man sich klarmachen muss, dass man gar nichts wollen soll und dass es völlig in Ordnung ist, wenn man einfach nichts spürt! Stimmige Wahrnehmungen werden sofort von den anderen Repräsentanten aufgenommen, während ‘Artefakte' auf eine subtile Art ins Leere laufen. So kann die Leiterin einen vermuteten Zusammenhang auch einfach mal ausprobieren: Die Reaktionen der Stellvertreter zeigen schnell, ob die Vermutung Gewicht hat oder schlicht unzutreffend ist.

Wie lange dauert eine solche Aufstellung?

Das ist sehr unterschiedlich. Die meisten Aufstellungen beanspruchen ‘eine gute Stunde'. Eine Aufstellung kann aber auch mal zwei Stunden dauern, und eine andere beansprucht nur 5 Minuten! Gelegentlich muss eine Aufstellung auch abgebrochen werden, zum Beispiel wenn die Bereitschaft für einen dringend erforderlichen Schritt nicht vorhanden ist. Nicht selten haben solche abgebrochenen Aufstellungen aber eine starke, hilfreiche Wirkung! Wer mit seiner Aufstellung ganz und gar unzufrieden ist, soll ohne weiteres sein Geld zurückverlangen - auf die Gefahr hin, dass es ihm nach zwei Wochen dämmert, dass da vielleicht doch mehr dran war, als er im ersten Moment zulassen wollte... Und wer nach einer Aufstellung aufgewühlt ist und merkt, dass er damit nicht alleine klar kommt, soll unbedingt die Unterstützung des Aufstellungsleiters beanspruchen, sei es am Telefon oder in zusätzlichen Einzelsitzungen.

Was wird denn ‘aufgestellt'?

Anfangs der 80er Jahre hatte das "Familienstellen" noch leicht beschreibbare, fast starre Formen: Mittels Stellvertretern wurde die "Gegenwartsfamilie" (Mann, Frau, Kinder, ... ) oder die "Herkunftsfamilie" (Eltern, Grosseltern, Geschwister, ...) aufgestellt. Wichtige Abwesende oder Ausgeschlossene (erste Lieben, früh verstorbene Geschwister, ein totgeschwiegener Onkel usw.) wurden hinzugenommen, und dabei zeigten sich oft unbewusste Verstrickungen, die eine unheilvolle Wirkung im Leben des Aufstellenden gehabt haben. Mit dem räumlichen Umgruppieren der Stellvertreter und dem Klären der Beziehungen ("Ich bin nur das Kind") wurde nach einer "Ordnung" gesucht, in der schliesslich alle einen guten Platz fanden. Die Aufstellung war dann zu einem guten Ende gekommen, wenn dieses "Lösungsbild" gefunden war.

Was kann man denn sonst noch aufstellen ausser der Familie?

Die ‘klassische' Form des Familienstellens kann heute noch sehr hilfreich sein. Sie wurde aber bald schon in verschiedene Richtungen erweitert. So werden heute Stellvertreter aufgestellt für Krankheitssymptome oder Körperorgane, für Leitsätze oder Vorurteile, für Hoffnungen und fürs Verzweifeln, oder man beobachtet, wie sich das Verhältnis einer Person zu zwei möglichen alternativen Wegen entwickelt, zwischen denen sie sich nicht entscheiden kann. Nicht nur familiäre Systeme werden betrachtet, auch Abteilungen von Firmen, Behörden und andere Teams versuchen auf diese Weise, Stagnation, Rivalität oder gegenseitige Einschränkung zu überwinden und zu einer produktiven Form der Zusammenarbeit zu finden.

Was darf man von einer Aufstellung erwarten?

Mit dieser Entwicklung hat sich auch das gute Ziel einer Aufstellung verschoben. Man darf und soll immer noch erwarten, dass man durch eine Aufstellung einen grossen Schritt vorwärts kommt. Es ist nämlich nicht zwingend, dass man immer wieder dieselben Fehler macht. Unerklärliche gereizte Reaktionen dürfen überflüssig werden, und es ist möglich, unangebrachte Erwartungen abzulegen. Besonders hilfreich ist es auch, wenn man sich bisher ungenutzte Ressourcen erschliessen kann. Eine Aufstellung wird also nicht unbedingt in einem harmonischen Lösungsbild enden - eine Klärung und Stärkung soll sie aber in jedem Fall bringen. Selbstverständlich sind nach einer Aufstellung nicht alle Probleme gelöst. Wenn allerdings ein Wunder geschieht, sollte man mindestens in Betracht ziehen, dieses auch anzunehmen...

Kann man auch einfach mal schnuppern, wie das geht?

Die Antwort ist 'ja und nein'. Wir haben uns entschieden, keine reinen 'Zaungäste' zuzulassen. Man kann sich aber zu einem ermässigten Tarif als 'teilnehmender Beobachter' anmelden und verpflichtet sich damit, am ganzen Seminar teilzunehmen und sich prinzipiell auch als Stellvertreter wählen zu lassen. Was 'Aufstellen' ist kann man sowieso nur erfassen, indem man sich auch aufstellen lässt. In jedem speziellen Fall kann man eine Stellvertretung aber auch ablehnen, wenn man zB merkt, dass einem die Thematik zu sehr aufwühlt oder dass sich alles in einem dagegen sträubt, gerade diese Rolle anzunehmen. Auch diese 'teilnehmenden Beobachter' gehen meist reich beschenkt nach Hause, haben sie doch am eigenen Leib erleben können, wie verbunden wir uns zu 'wildfremden' Menschen fühlen können und welche Kraft aus der gegenseitigen Anteilnahme erwächst.

Es muss sich um ein ernstes Anliegen handeln!

Man kann also fast alles aufstellen - aber nur dann, wenn es sich wirklich um ein ersthaftes Anliegen handelt! Ist das nicht deutlich zu spüren, so wird die Person, welche die Aufstellung leiten soll, vielleicht sogar eine Aufstellung in diesem Zeitpunkt ablehnen. Auch die übrigen Mitglieder der Gruppe reagieren in diesem Punkt oft sehr empfindlich, sie werden unruhig oder plötzlich ganz müde und sind nicht bereit, das Anliegen engagiert zu unterstützen. Dies ist aber unerlässlich, wenn die Aufstellung gelingen soll.

Soll ich meine Migräne aufstellen oder zu einem Arzt gehen?

Eine Aufstellung ersetzt keinesfalls anderweitiges Fachwissen! Wer krank ist, soll den Arzt oder den Psychiater aufsuchen, und wer Rechtsfragen klären muss soll sich von einem Juristen beraten lassen. Tatsächlich lassen sich aber existentielle Probleme oft nicht rein medizinisch oder juristisch lösen, sie greifen tief in unser Leben ein und es kann vorteilhaft sein, den weiteren, oft unbewussten Zusammenhängen Gelegenheit zu geben, sich in einer Aufstellung zu zeigen. So gibt es zum Beispiel detaillierte Beschreibungen dessen, was sich bei Aufstellungen mit Krebskranken gezeigt hat. Wenn ein Leiden chronisch ist und möglicherweise gehäuft auftritt in der Familie empfiehlt es sich hinzuschauen, ob da nicht auch systemische Einflüsse vorliegen könnten.

Wenn schon zahlreiche Einzelsitzungen bei einem Therapeuten nicht viel geholfen haben - was soll da eine einzelne Aufstellung gross bewirken?

Systemische Einflüsse wirken unbewusst. Das Sippengewissen nimmt uns in ‘Sippenhaft', unerbittlich gerade dann, wenn wir nichts wissen davon. Da eine Aufstellung solche Zusammenhänge bildhaft vor Augen führt, oft mit allen Emotionen, die damit verbunden sind, erreicht sie tiefere Schichten unserer Seele als es Worte allein vermögen. Nach einer Aufstellung tragen wir Bilder in uns, die noch lange nachwirken. Deren Bedeutung ist oft unmittelbar klar, manchmal taucht sie aber erst Wochen nach der Aufstellung schlagartig auf. Ein weiteres häufiges Phänomen ist, dass Aufstellungen auch auf Angehörige des Systems zu wirken scheinen, die von der Aufstellung gar nichts wissen können.

Kann man für jemand anderen eine Aufstellung machen?

Das ist in ganz engen Grenzen möglich, beispielsweise können Eltern eine Aufstellung für ein krankes Kind machen. In jedem Fall müssen die Anwesenden und vor allem auch der Leiter der Aufstellung spüren, dass es im konkreten Fall erlaubt ist und dass es sich nicht um eine Einmischung handelt. Bei den meisten Aufstellungen zeigt sich ohnehin, dass man sie zwar für sich, aber damit auch für alle anderen Angehörigen des Systems macht. Das gehört zum Wesen von systemischen Zusammenhängen.

Kann man an seinem eigenen Wohnort ein Seminar besuchen?

Da sitzen ja womöglich noch andere drin, denen ich nachher auf der Strasse wieder begegne! Tatsächlich fahren viele Leute hunderte von Kilometern, um weitab von zuhause ein solches Seminar zu besuchen. Nur: Vielleicht hat das ja auch der Nachbar gemacht... Es zeigt sich regelmässig, dass die entsprechenden Ängste am Ende des Seminars nicht mehr vorhanden sind. Man begegnet sich später auf der Strasse mit einem freundlichen Kopfnicken, weiss, dass auch der andere seine Last zu tragen hat und ist sich darin herzlich verbunden. Bis jetzt haben wir noch nie von Indiskretionen nach einem Aufstellungstag hören müssen.